Botschaft

Ein Handelsherr hielt einen wunderschönen Papagei, mit dem er auch sprechen konnte, in einem goldenen Käfig.
Da er geschäftlich in die ferne Heimat des Vogels reisen musste, fragt er ihn, ob er ihm etwas mitbringen sollte.
„Das einzige Geschenk, das ich mir von dir erbitte, ist meine Freiheit“, sagte der Papagei.
„Da du mir die nicht geben willst, kannst du es auf deiner Reise vielleicht so einrichten, dass du meinen Brüdern und Schwestern im Urwald von mir erzählst, dass ich lebe, allerdings in Gefangenschaft“.
Nachdem der Kaufmann seine Geschäfte abgewickelt hatte, ging er in den Dschungel. Und an einem Ort, an dem bunte Vögel im goldgrünen Licht umherflogen, erzählte er von seinem Papagei, der bei ihm zu Hause in einem goldenen Käfig lebe.
Kaum hatte er geendet, da fiel ihm aus den Zweigen ein Papagei wie tot vor die Füße.
„Vielleicht ist dieser Vogel ein Verwandter meines Papageien, und die Nachricht hat ihn zu Tode getroffen“, dachte betrübt der Kaufmann.
Doch auf der Heimreise vergaß er den Vorfall und erinnerte sich erst wieder daran, als sein Papagei ihn fragte, ob er gute Nachrichten aus seiner Heimat mitbringe.
„Leider nein“, sagte der Kaufmann und erzählte von den Ereignissen im Dschungel. „Einer der Verwandten fiel tot um, direkt vor mich hin, als ich von dir und deinem Leben bei mir erzählte. Es tut mir sehr leid….“
Doch da war der Papagei schon von seiner Stange gefallen. Den Schnabel leicht offen, die Krallen nach oben gestreckt, lag er erstarrt und wie tot auf dem Käfigboden.
„Ich bin der Überbringer schrecklicher Nachrichten“, dachte der Kaufmann.
„Nun hat die Botschaft vom Tod seines Verwandten auch ihn umgebracht.“
Sehr traurig nahm er seinen Liebling auf und legt ihn behutsam auf die Bank des geöffneten Fensters. Als hätten die Sonne und der Wind ihn plötzlich wiederbelebt, flog der Papagei eilends auf einen nahen Baum.
„Verstehst du nun, dass manches ganz anders ist, als du denkst?“, rief ihm der Vogel zu.
„Was du für ein Unglück ansahst, war für mich eine gute Nachricht.
Und du selbst, der du mich gefangen hieltest, hast mir die Botschaft gebracht, die zu meiner Befreiung führte.“
Und er folg glücklich davon.
(Weisheitsgeschichten aus Balsam für die Seele von Norbert Lechleitner)

In diesem Sinne wünsche ich dir herzhafte Weihnachten und alles Liebe
  Evelyn Enzenhofer